Barbara Heinisch - Performancekonzeption

Prof. Dr. Bernd M. Scherer

ZUR PERFORMANCEKONZEPTION VON BARBARA HEINISCH

Die Beuys und Hödicke Schülerin Barbara Heinisch entwickelte ihre heutige Performancekonzeption aus der Kritik an akademischen Formen des Aktzeichnens, in denen die Modelle instrumentell als Objekte behandelt werden, die keinen Einfluß auf die Gestaltung des Porträts haben.

Der Weg führt über das Selbstporträt (1975). Eine Kamera filmt, sowohl wie die Künstlerin ein monochrom rotes Bild mit dem Kopf durchstößt als auch ihren wechselnden Gesichtsausdruck im Bild. Der Mensch ist ins-Bild-gebracht, Unmittelbarkeit gewonnen. Die durchstoßene Leinwand bleibt aber nur als Relikt zurück.

Erst die Einbeziehung eines Mitakteurs erlaubt dann die G e s t a l t u n g der Situation. Eine Einheit von Aktion u n d Kunst ist erreicht. Der Übergang zur Arbeit mit anderen verdankt sich aber auch der vollzogenen Einsicht, dass die Ausdifferenzierung der eigenen Möglichkeiten und damit der eigenen Subjektivität in der Interaktion mit anderen erfolgt. Der Mitakteur wie die Malerin werden nicht als fertige Objekte verstanden, die es abzubilden gilt. Gegenstand des Malaktes ist die Beziehung zwischen beiden, nämlich der sich vollziehende V e r s t e h e n s p r o z e s s , und die Leinwand ist die materielle Manifestation der Beziehung. Eigenes und Fremdes werden dem Zuschauer vorgeführt. Der Tänzer drückt sich mit seinem Körper a u f der Leinwand aus, die Malerin übersetzt die tänzerischen Ausdrucksangebote mit i h r e n Möglichkeiten in das Medium der Malerei. Wo das gelingt, ist der singuläre Akt des Tänzers durch den Perspektivenwechsel zu etwas Allgemeinem geworden. Er ist nicht vergangen mit der Aktion sondern lebt als gestalteter Augenblick auf der Leinwand insofern fort, als zukünftige Betrachter ihn (natürlich auf ihre Weise) erfahren können.

So wird auch das Thema TOD UND LEBEN , das wiederholt in den Bildern von Barbara Heinisch erscheint, von ihrer Performancekonzeption her verständlich. Der Augenblick, die Aktion, die mit der Ausführung "stirbt", wird durch die malerische Gestaltung dem Leben zurückgegeben.

Bernd M. Scherer 1988






Barbara Heinisch u. Bernd M. Scherer

Einführungsrede von Dr. Bernd M. Scherer für die Performance und Ausstellung [1.234 KB] von Barbara Heinisch zur Neu-Eröffnung des Goethe-Instituts, Düsseldorf am 3.3.1988.
Später war Dr. Scherer u.a. Leiter für die Goethe-Institute in Karachi, Lahore und Mexiko.
2006 wurde er zum Intendanten des Hauses der Kulturen der Welt, Berlin berufen und seit 2011 ist er auch Honorarprofessor am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt Universität zu Berlin.

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